Möglichkeiten und Grenzen der Ambulantisierung an deutschen Universitätskliniken

Bei der Betrachtung der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklung aus der Perspektive eines Universitätsklinikums als Maximalversorger sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Dabei soll zunächst auf einen Kernaspekt, die Kostenreduktion eingegangen werden. Zum anderen wird unter Einbezug auf die bestehende ambulante Versorgung im Ausland auf die Versorgungsrealität in Deutschland eingegangen. Abschließend werden Konzepte vorgestellt, um Vorteile der geplanten Ambulantisierung zu erhalten sowie um eine Gesundheitsversorgung medizinisch, qualitativ und ökonomisch sinnvoll im universitären Setting (im Sinne des § 12 SGB V) zu ermöglichen [4, 7].

Erstattung der Leistungserbringung

Aus der Analyse von stationären Fällen einer universitären Orthopädie und Unfallchirurgie ergab sich durch eine Ambulantisierung ein potenziell entstehendes Erlösdefizit von ca. 1.000.000 € pro Jahr [5]. Diese Erlösverluste resultieren aus einer Kalkulation realer Fälle durch einen Wechsel von stationärer zu ambulanter Fallführung, wie konkret in diesen Fällen durch MDK-Prüfungen sowie gemäß des neuen AOP-Katalogs vorgesehen [5]. Allein diese potenzielle Veränderung der Erlössituation stellt für jede Klinik ein nicht ausgleichbares Defizit dar.

Die forcierte Kosteneinsparung, die durch die Ambulantisierung vorangetrieben wird, ist jedoch auch eine fundamentale Problematik, um eine Ambulantisierung umfassend umzusetzen [13]. Denn die geplante Vergütung der Versorgung im ambulanten Rahmen ist selbst bei entfallenen Kosten für den stationären Aufenthalt wirtschaftlich nur bedingt bzw. nicht kostendeckend.

In einem Klinikum der Maximalversorgung oder in einem Universitätsklinikum muss Personal in ausreichender Ausmaß vorgehalten werden, um eine Akut- und Notfallversorgung – insbesondere auch operativ – zu gewährleisten [13]. Zudem kann die Struktur eines universitären Operationszentrums nicht mit der Effektivität einer ambulanten Einrichtung mithalten, in der Prozesse auf ein bestimmtes Spektrum von Eingriffen optimiert wurden (z. B. nur arthroskopische Eingriffe; [13]). Hierfür ist auch die Aus- und Weiterbildung, die an Universitätskliniken für Studenten, Pflegepersonal und ärztliche Kollegen der operativen Disziplinen und der Anästhesie stattfindet, ein maßgebender Punkt. Daraus ergibt sich für ein Universitätsklinikum unabhängig von ambulanter oder stationärer Fallführung eine niedrigere Saalauslastung, was wirtschaftlich nachteilig ist [13]. Die Hybrid-DRG bedeutet außerdem eine deutliche Erlösdifferenz von 25–50 % bei Gegenüberstellung zu bisherigen DRG-Erlösen, selbst unter Einbezug eines Abschlags für eine verkürzte Liegezeit der bisher gültigen DRG [13]. Zusätzlich stellt die vorgesehene Pauschalvergütung durch die Hybrid-DRG einen sehr kritischen Punkt dar, da eine gesonderte Vergütung von Sachkosten bzw. Anästhesiekosten nicht vorgesehen ist [13].

Diverse Bemühungen verschiedener Fachgesellschaften aus dem muskuloskelettalen Fachbereich zur Exkludierung der Sachkosten, blieben bisher erfolglos. Es wird aktuell bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog von einem nicht refinanzierten Kostenanteil von durchschnittlich 34 % ausgegangen [13]. Diese Faktoren und die zuletzt gestiegenen Materialkosten führen zu einem zusätzlichen finanziellen Druck für die Universitätskliniken. Sollte die Vergütung von ambulant erbringbaren Eingriffen weiterhin nicht kostenneutral gestaltet werden, droht hier eine zusätzliche finanzielle Belastung der bereits defizitären Bilanz der Universitätskliniken.

Ein zusätzlich ernstzunehmendes Szenario ist, dass niedergelassenen Kollegen, die sich als Selbstständige eine für sie defizitäre Behandlung nicht leisten können, oder investorengeführte Einrichtungen, die keinem Versorgungsauftrag nachkommen, derartige Eingriffe nicht mehr anbieten werden. Dabei würde es sich konkret um Eingriffe handeln, die einen entsprechend unvorteilhaften Kosten-Erlös-Quotient, somit einen hohen Sachkostenaufwand, haben. Aufgrund der initiierten sektorengleichen Vergütung mit ggf. defizitären Erlössituation kann dies ein weites Spektrum an Eingriffen der muskuloskelettalen Chirurgie betreffen [13]. In der Folge müssen sich Patienten an Institutionen mit einem Versorgungsauftrag, wie u. a. die Universitätskliniken, wenden [2]. Es resultiert daraus eine weitere Reduktion der verfügbaren Operationskapazitäten. Für die Patienten bedeutet dies deutlich längere Wartezeiten auf eine operative Versorgung. Für die Universitätskliniken, die ihrem Versorgungsauftrag nachkommen, bedeutet die defizitäre Vergütung dieser Eingriffe eine Verstärkung möglicher finanzieller Schieflagen.

Die aktuell festgelegte, fehlende Sachkostenerstattung wird zudem wesentliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eine mögliche und vielerorts auch bereits eingetretene Folge ist, dass sich die medizinische Versorgung mit kostenintensiven Implantaten zu Gunsten von zwar preiswerteren, jedoch auch möglicherweise biomechanisch oder funktionell minderwertigen Implantaten wandelt. Beispielsweise wird in der Fußchirurgie von den betroffenen Kollegen bereits eine Senkung der operativen Patientenversorgung auf ein Minimalniveau als Folge der Hybrid-DRG beschrieben [11]. Dies hätte die Folge, dass sich Patienten gegebenenfalls Revisionsoperationen unterziehen müssten und u. U. nicht mehr die gleichen klinischen Resultate erreicht werden können.

Zudem würden Universitätskliniken in ihrem Bestreben, innovative und somit auch kostenintensive Operationsverfahren zu erproben und klinische Forschung umzusetzen, stark beschränkt. Dies würde – hinsichtlich des medizinischen Fortschritts – eine deutliche Schwächung des akademischen und wissenschaftlichen Standorts Deutschland bedeuten. Könnten zukünftig innovative Operationsverfahren nicht uneingeschränkt angeboten werden, würde dies zu einer Reduktion der Fallzahlen führen. Ausreichende Fallzahlen stellen jedoch die Basis für adäquate Nachuntersuchungen mit einer fundierten Datenanalyse und somit für das wissenschaftliche Arbeiten dar. Des Weiteren würde die operative Ausbildung der Ärzte in Weiterbildung an Universitätskliniken durch die reduzierten Fallzahlen und ggf. durch einen komplettem Wegfall bestimmter Eingriffe in den ambulanten Sektor stark beeinträchtigt werden. Ohne eine fortwährende Ausbildung mit modernen Operationsverfahren ist der aktuelle chirurgische Standard gefährdet.

Schlussendlich wird die verschärfte Versorgungslage und die Einengung medizinischer Innovationen somit zu Lasten des Patienten gehen. Um eine Ambulantisierung von muskuloskelettalen Eingriffen erfolgreich und zum Wohle des Patienten zu gestalten, sollte dies nicht auf einer defizitären Kostenerstattung für den Leistungserbringer ausgelegt sein.

Versorgungsrealität in Deutschland

Die Entwicklung zu weniger invasiven Operationsverfahren ermöglicht eine ambulante Fallführung, sodass ein großes Ambulantisierungspotenzial in Deutschland vorliegt. Um ambulante und stationäre Fallführungen in Deutschland zu vergleichen, werden jedoch oft Versorgungen aus den USA herangezogen [2]. Dabei gilt zu beachten, dass die Ambulantisierung dort im Vergleich zu Deutschland viel früher etabliert wurde und die Verfügbarkeit ambulanter Pflege- und Rehabilitationsmöglichkeiten relevant höher ist [13]. Zudem muss betont werden, dass die amerikanischen Versorgungsverhältnisse im Rahmen deutlich höherer Selbstbeteiligungen der Patienten stattfinden und viele Patienten lange stationäre Aufenthalte aufgrund hoher Kosten vermeiden.

Die Rotatorenmanschettenrekonstruktion beispielsweise ist ein repräsentatives Operationsverfahren der oberen Extremität, für die Daten zur ambulanten Fallführung aus den USA bereits vorliegen [6]. Die ambulante Versorgung nach einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion zeigte sich dabei sogar mit einem geringerem Risiko für eine postoperative Komplikation [6]. Nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette konnte kein signifikanter Unterschied zwischen ambulanter und stationärer Behandlung hinsichtlich der schmerzbedingten Wiederaufnahme des Patienten innerhalb von 90 Tagen nach der Operation beobachtet werden [6]. Faktoren wie Komorbiditäten, Angststörungen und Depressionen führten zu einer Wiederaufnahme der Patienten innerhalb von 90 Tagen nach der Operation [6]. Um vermeidbare Wiederaufnahmen im Rahmen einer ambulanten Fallführung zu vermeiden, ist daher ein sorgfältiges Selektionieren der Patienten notwendig. Die aktuell im Rahmen des AOP-Katalogs angewandten Kontextfaktoren bilden relevante Faktoren wie hohes Patientenalter, systemische Nebenerkrankungen und erhöhtes anästhesiologisches Risiko überhaupt nicht ab [2]. Daher besteht dringend Verbesserungsbedarf für den aktuell in Deutschland angewandten Entscheidungsleitfaden zur (ambulanten) Fallplanung.

Es wäre wünschenswert, diese vielversprechenden Ergebnisse einer ambulanten Fallführung auch in Deutschland umzusetzen. Die postoperative Versorgungsstruktur ist im Vergleich zum Ausland nur unzureichend ausgebildet [10]. Erschwerend kommt hinzu, dass sich ein zunehmender Ärztemangel abzeichnet und dies die ambulante Versorgung weiter verschlechtert [3]. Neben dem demographischen Wandel der Ärzte ist dies auch auf eine veränderte Berufsausübung mit einer Präferenz für ein Angestelltenverhältnis und eine zunehmende Teilzeitarbeit zurückzuführen [3].

Um eine ambulante Fallführung jedoch erfolgreich zu gestalten, ist auch die postoperative Nachbehandlung grundlegend. Bei unzureichender ambulanter Patientenbetreuung würden Polikliniken und Notaufnahmen der Universitätskliniken zusätzlich belastet werden [8].

Um einen planbaren Ablauf in den Polikliniken zu gewährleisten, wäre ein erhöhter personeller Aufwand notwendig. Diese Mehrkosten müssen bei der Ambulantisierung bedacht werden. Kritisch muss dabei angemerkt werden, dass sich der Effekt der angestrebten Kostenersparnis im Personalbereich sogar relativieren könnte, da beispielweise Personal anstatt im stationären Bereich vermehrt in den Ambulanzen eingesetzt würde. Darüber hinaus müsste das benötigte Personal überhaupt verfügbar sein. Dies ist bei aktuell vorherrschendem Fachkräftemangel eine schwer lösbare Aufgabe [9].

Es bedarf umfangreicher Maßnahmen um im Rahmen des aktuell bestehenden Fachkräftemangel das notwendige Personal zu gewinnen. Hierfür ist es notwendig die Attraktivität der bisherigen Berufe und deren Ausbildung zu steigern. Die Schaffung neuer Berufsprofile, spezifische Aus- und Weiterbildungsangebote sowie Rotationsmodelle mit einer Kooperation zwischen spezialisierten ambulanten Zentren könnte notwendige Anreize bieten.

Ein weiterer zu bedenkender Faktor ist eine zusätzliche Inanspruchnahme der Notaufnahmen, wenn es außerhalb der Kernarbeitszeit zu starken Beschwerden oder Komplikationen kommt [10]. Dies wäre sehr bedenklich, da neben der defizitären Kostenerstattung der Notaufnahmen eine chronische Überlastung der Notaufnahmen besteht. Der Effekt der Ambulantisierung darf betreffend der im ambulanten Rahmen durchgeführten postoperativen Nachkontrollen nicht zu einer Mehrbelastung der bereits angespannten Notaufnahmen gehen.

Konzepte zur patientengerechten und effektiven Ambulantisierung

Um im Rahmen der Ambulantisierung eine Gesundheitsversorgung zu erhalten, die medizinisch und qualitativ sowie ökonomisch sinnvoll ist, sind weiterführende Maßnahmen notwendig [5]:

1.

Grundlegend ist ein effektives System, das medizinisch relevante Faktoren zur Entscheidung zwischen ambulanter und stationärer Fallführung berücksichtigt. Dies sollte einen verbindlichen Charakter haben, denn die aktuellen Kontextfaktoren sind für die muskuloskelettale Chirurgie – gerade im universitären Setting – unzutreffend und erlaubt keine Sicherheit betreffend einer Prüfung durch den MDK [2, 10].

2.

Sofern sich bei einem Patienten eine klinische Auffälligkeit abzeichnet oder sich ein komplikativer Verlauf einstellt, sollte eine geregelte Rückzugsmöglichkeit für eine stationäre Patientenführung oder eine stationäre Aufnahme bei initial geplantem ambulanten Verlauf bestehen. Patienten benötigen nach einer ambulanten Versorgung einen Ansprechpartner, um nicht den Weg in eine Notaufnahme suchen zu müssen.

3.

Für ein Universitätsklinikum ist ein in die Klinik eingebundener Operationsbereich mit optimierten und effizienten Prozessen, der eine postoperative Überwachung und anschließende Entlassung ermöglicht, zwingend erforderlich. Die Initiierung eines entsprechenden „integrierten Operationszentrum“ an einem Universitätsklinikum um die Herausforderungen der Ambulantisierung zu begegnen, wurden von Kollegen bereits geschildert [13]. Eine wichtige Empfehlung zur Gewährleistung einer effizienten ambulanten Patientenführung ist die Einbindung eines festen Pflegeteams, das nicht aus anderen Bereich auf täglicher Basis rekrutiert wird [13].

4.

Die erbrachten Leistungen im Rahmen der operativen Versorgung müssen mindestens kostenneutral von den Kostenträgern erstattet werden. Die defizitäre Gestaltung der Leistungsvergütung erfüllt zwar den radikalen Anspruch der Kostenersparnis, jedoch ist der medizinische Versorgungsstandard dadurch stark gefährdet.

5.

Eine Erstattung der Sachkosten (aller beteiligten Disziplinen) sowie der verwendeten Implantate, sollte dabei explizit von der Vergütung der Leistungserbringung getrennt werden.

6.

Die postoperative Nachversorgung einer ambulant geführten Patientenversorgung sollte nahtlos gegeben sein. Dafür müssen entsprechende Kapazitäten und angegliederte bzw. kooperierende Einrichtungen geschaffen werden.

7.

Es ist zu erwarten, dass in Zukunft weitere Krankheitsbilder ausschließlich ambulant zu behandeln sind und somit u. U. an Kliniken der Maximalversorgung oder Universitätskliniken nicht mehr behandelt werden. Damit junge Kollegen in der Weiterbildung diesbezüglich dennoch klinische und operative Erfahrung sammeln können, wird es notwendig sein, die Aus- und Weiterbildung zu reformieren. Im Rahmen von Rotationen und Kooperationen mit ambulanten Operationszentren sollte es ermöglicht werden, weiterhin die vollumfängliche Weiterbildung der im Facharztkatalog vorgesehenen Fertigkeiten zu erlernen.

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