„physioscience-Preis“ 2022 vergeben

Stuttgart/Freiburg, Oktober 2022 – Die Fachzeitschrift „physioscience“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) zeichnet in diesem Jahr Annalena Paus mit dem gleichnamigen Preis aus. Ihre kürzlich in der „physioscience“ erschienene Originalarbeit hat die Jury überzeugt. Darin beschreibt sie, wie Messinstrumente in der physiotherapeutischen Versorgung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten im Klinikalltag verankert werden können – ein wichtiger Baustein für eine bessere Therapieplanung und Behandlungsqualität. Die Preisverleihung fand im Rahmen des 6. Forschungssymposiums Physiotherapie am 1. Oktober in Freiburg statt. Hier nahm sie als Erstautorin die Auszeichnung stellvertretend für das fünfköpfige Team entgegen. Der Preis ist mit 3000 Euro dotiert.

Der Einsatz von Messinstrumenten (MI) im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung ist wichtig, um Maßnahmen patientenorientiert zu planen, durchzuführen und den Therapieverlauf zu bewerten. Dafür stehen Physiotherapierenden verschiedene validierte Skalen, Scores oder Fragebögen zur Verfügung. Damit können sie beispielsweise die Mobilität ihrer Patientinnen und Patienten erfassen. In der Praxis werden diese Möglichkeiten jedoch zu wenig genutzt. „Insbesondere im Klinikalltag fällt es vielen Kolleginnen und Kollegen schwer, sich dieser Mittel konsequent zu bedienen“, berichtet Annalena Paus, selbst Physiotherapeutin am Universitätsklinikum Münster (UKM). Häufige Patientenwechsel, die räumlichen Gegebenheiten am Krankenbett sowie die knappen zeitlichen Ressourcen erschwerten den sinnvollen Einsatz von MI, so die Einschätzung der Preisträgerin.

In der jetzt ausgezeichneten Originalarbeit beschreibt Paus gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, wie MI im Klinikalltag dennoch etabliert werden können. Sie skizzieren darin ihr Vorgehen auf der Schlaganfallstation des Universitätsklinikums Münster. Dem Konzept des „Implementation of Change Model“ folgend, haben sie dort vier ausgewählte MI eingeführt. Auf die Behandlung von Menschen mit Schlaganfall, fiel die Wahl der MI auf die Numeric Rating Scale (Schmerz), den Motricity Index (Beweglichkeit), den De Morton Mobility Index (Mobilität) sowie die Early Functional Abilities Scale (Sensomotorik).

„Der systematische Einsatz von MI verlangt von den Therapierenden in der Regel eine Verhaltensänderung. Um diese zu bewirken, muss der daraus resultierende Nutzen allen klar sein“, erklärt Erstautorin Paus. Genau daran richtet sich das „Implementation of Change Model“ aus. Es gibt verschiedene Veränderungsphasen vor und empfiehlt daran ausgerichtete Maßnahmen. „Im ersten Schritt ging es darum, das Interesse der Teilnehmenden zu wecken, ihnen eine positive Einstellung zum Thema zu vermitteln und ihnen Unterstützung anzubieten“, so die Erstautorin. In kompakten Schulungsveranstaltungen sowie mit Informationsmaterial sei es gelungen, die Handhabung der MI zu vermitteln. Eine Befragung der Kolleginnen und Kollegen nach einem dreimonatigen Testzeitraum zeigte eine positive Entwicklung: So gaben sie an, die MI häufiger einzusetzen und von deren Nutzen mehr als zuvor überzeugt zu sein. Auch hatten sie den Eindruck, dass sich die Qualität ihrer Behandlung dadurch verbessere.

„Annalena Paus und ihre Co-Autor*innen stellen in ihrer Arbeit anschaulich und praxisnah dar, wie sich ausgewählte Messinstrumente in den physiotherapeutischen Behandlungsalltag einer Stroke Unit integrieren lassen. In ihrem Beitrag schildern sie, wie mithilfe des ‚Implementation of Change Model‘ die sukzessive Einbindung von Messinstrumenten gelingen kann. Ihre detaillierte Beschreibung kann als Leitfaden für andere Implementierungen im Klinikalltag genutzt werden“, begründet die Jury ihre Entscheidung. Ein Praxisbeispiel, dem so auch andere folgen könnten.

Die Jury

Die Preiskommission setzt sich im jährlichen Wechsel aus Herausgeberinnen und Herausgebern der „physioscience“ zusammen. Sie alle sind in der Forschung und Lehre in Deutschland und der Schweiz tätig. Für den diesjährigen „physioscience-Preis“ bewerteten Dr. Simone C. Gafner, Prof. Dr. Sven Karstens, Professor Dr. Christian Kopkow, Claudia Pott, MSc, und Anne-Kathrin Rausch, MSc, alle Beiträge, die zwischen Juni 2021 und Ende Mai 2022 veröffentlicht wurden oder das Peer-Review-Verfahren erfolgreich durchlaufen hatten. Ein besonderes Augenmerk legten sie auf die Relevanz des Beitrags für Physiotherapeutinnen und -therapeuten sowie die wissenschaftliche Qualität der Forschungsarbeit.

Preisverleihung

Die Preisverleihung hat am 1. Oktober im Rahmen des 6. Forschungssymposiums Physiotherapie stattgefunden. Die Deutsche Gesellschaft für Physiotherapiewissenschaft e. V. (DGPTW) lädt hierzu jedes Jahr Physiotherapeutinnen und -therapeuten zum wissenschaftlichen Austausch ein. In diesem Jahr fand das Treffen an der Hochschule Furtwangen (HFU) in Freiburg im Breisgau statt.

Erstautorin Annalena Paus

Annalena Paus ist als Physiotherapeutin am Universitätsklinikum Münster (UKM) tätig. Der ausgezeichnete Beitrag ist das Ergebnis eines Praxisentwicklungsprojekts, das sie im Rahmen eines einjährigen Traineeprogramms umgesetzt hat. Mit dem Angebot für Bachelorabsolvent*innen in den Therapieberufen und in der Pflege möchte das UKM gezielt evidenzbasiertes therapeutisches, pflegerisches sowie interprofessionelles Handeln fördern.

Ausgezeichneter Artikel

Annalena Paus et al.:
Eine theoriegeleitete Implementierung von Messinstrumenten in der physiotherapeutischen Versorgung einer Stroke Unit
physioscience 2022; online erschienen am 21.07.2022
DOI 10.1055/a-1748-3069

Bewerbung für den kommenden „physioscience-Preis“ bis Mai 2023 möglich

Als deutschsprachiges Forum für wissenschaftlich interessierte Physiotherapeuten liefert die „physioscience“ viermal im Jahr aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Praxis. In die Bewertung für den nächsten „physioscience-Preis“ gehen alle Original- und Übersichtsarbeiten, Fallberichte und Publikationen zu Leitlinien ein, die zwischen Juni 2022 und Ende Mai 2023 im Peer-Review-Verfahren angenommen wurden. Alle Informationen zur Manuskripteinreichung finden Interessierte hier.
 

Catrin Hölbling

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